Alltäglich sind unsere Ärzte, Psychotherapeuten und Psychiater damit konfrontiert, vielfältige Störungen, die sie beobachten, sehr detailliert und sorgfältig zu beschreiben. Sie katalogisierten, systematisierten und klassifizierten körperliche und seelische Auffälligkeiten. Und schließlich erklären und bewerten sie die so beobachteten Phänomene als Symptome von Krankheiten, die selbstverständlich pharmazeutische Interventionen notwendig machen.
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Dabei sollte es doch gerade für medizinische Fachkräfte möglich sein, zu erkennen, dass biologische Systeme sich im Vollzug eines biologischen Stoffwechsels erschaffen, und dass sich demnach das psychische System im Vollzug über mentale Akte wie Wahrnehmung, Gedanken, Willensakte oder Gefühle reproduziert. Biologische und psychische Systeme unterscheiden sich demnach eindeutig im Vollzug ihres Stoffwechsels: unser biologischer Körper hat einen biologischen Stoffwechsel, unsere Psyche einen mentalen Stoffwechsel. Sie beeinflussen sich gegenseitig, sie sind jeweils Umfeld für den anderen, doch allein mit der mentalen Vorstellung einer Schweinshaxe sind wir noch nicht satt und im biologischen Stoffwechsel verarbeitet.
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Wird eine Behandlung mit Psychopharmaka durchgeführt, vertraut also der Therapeut mehr oder weniger reflektiert gewissermaßen als naiver Therapeut auf die Selbsthilfekompetenz bzw. Selbstregulationsfähigkeit des psychischen Systems seines Patienten, verändert er doch mit dem Psychopharmaka nur die biologische Basis, nicht die gestörte Seele seines Patienten. Im Gegenteil, er raubt dem Patienten seine überlernten und so oft schon zur Routine gewordenen Problembewältigungsstrategien und fällt noch tiefer.
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Nehmen wir als Beispiel die Frau, die ihrem Mann und schließlich auch mir erklärt, dass sie von außerirdischen Wesen in einem UFO entführt wurde und ihr seit vielen Jahren die unerträglichen Schmerzen zufügen. So wie unsere Ärzte und Psychologen sehr detailliert und sorgfältig Schmerzen als Symptome einer angeblichen Krankheit beschreiben, beschreibt diese Frau ihre Schmerzen als Symptome einer angeblichen Geiselnahme. Sollte es nun tatsächlich möglich sein, eine Geiselnahme durch Einnahme eines Medikaments zu beenden? Wohl kaum, und trotzdem machen wir es.
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Letztes Jahr wurden 1,2 Milliarden Tagesdosen an Neuroleptika verkauft. Tendenz steigend!