Jeder kennt die Last, wenn man sich müde, matt, antriebslos und leistungsschwach fühlt, mit Schuldgefühlen gegenüber der Familie kämpft, über sich und sein Umfeld, die Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart grübelt und unfähig ist zu genießen, dafür aber oft ärgerlich, reizbar oder gar aggressiv ist. Hintergrund dafür ist ein existenzieller Bindungs- und Beziehungsreflex, der vom Nervensystem selbst blockiert bzw. unterbrochen werden kann.
Die menschliche Fähigkeit, sich zu binden, ist genetisch verankert. In den ersten drei Jahren werden die Grundlagen für die Entwicklung eines gesunden Bindungs- und Beziehungsverhalten gelegt. Doch familiäre Dauerkrisen, unberechenbare Stimmungsumbrüche und fehlende Feinfühligkeit gegenüber dem Säugling führen unmittelbar zu einer extremen Reaktion des autonomen Nerven-system: Mit einem autopoiesischen (selbsterhaltenden) Überlebensreflex werden Hirnareale „inaktiv“ gesetzt, von denen möglicherweise die Gefahr ausgehen könnte, die Bindungsperson als Täter zu erkennen. Ein Überlebensreflex, der sich seiner selbst versichert und notwendige soziale Bindungen, wie schräg und herausfordernd sie auch sein sollten, aufrecht hält. Die Folgen der „inaktiv“-gesetzten Hirnareale sind Bindungsstörungen in Form von einschränkenden Sozialkompetenzen, allgemeine Schwierigkeiten beim Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen, Unkonzentriertheit, körperliche Unruhe, Störungen visueller, auditiver oder olfaktorische (Geruchssinn) Wahrnehmungen und vieles mehr. Gäbe es autopoiesische Reflexe nicht, würde bereits ein Baby bzw. Kleinkind mit aggressiven Flucht- oder Kampf-Reflexen gegenüber dem sozialen Umfeld Gefahr laufen, alles zu verlieren.
„Bindung und soziale Beziehungen sind lebensnotwendig und gleichzeitig lebensgefährlich.“
Damit das nicht passiert, werden bestimmte Hirnareale „inaktiv“ gesetzt, wie zum Beispiel die Störung „sekundäres Bettnässen“. Bei sehr starkem „familiären Stress“ kann es dazu kommen, dass die Nervenimpulse zum Füllstand der Blase im Gehirn nicht mehr richtig verarbeitet werden. Dadurch sendet das Gehirn nicht den richtigen Befehl, nämlich den Drang, zur Toilette zu gehen. Jetzt sorgt das autonome Nervensystem dafür, dass sich die Blase ohne Vorwarnung entleert – zum Schutz der Nieren! Ein selbsterhaltender Überlebensreflex, der sich seiner selbst versichert.
Weitere Beispiele sind vorübergehende Erinnerungslücken, spontane zeitweilige Vergesslichkeit oder psychogene Gedächtnisverluste (Amnesie), die auf unbewussten Verdrängungen, Abspaltungen bzw. Dissoziationen von traumatischen Erfahrungen basieren. Die Folge sind Essstörungen, wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht, oder Suchtproblematiken, Leistungsverweigerung, exzessives Klammern, Promiskuität, Angst-, Panik- und Agoraphobie-Symptomatiken und vieles mehr. Fortan leben wir als Jugendlicher oder später als Erwachsener in einem psycho-sozialen Spannungsfeld zu unseren Eltern, was automatisch zu Verhaltensreaktionen führt, die den aktuellen Situationen nicht wirklich angemessen sind, die wir aber auch einfach nicht kontrollieren können.
Trauma und Mentalisierung
Mentalisierung ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten und das Verhalten anderer durch Zuschreiben mentaler Zustände zu interpretieren. Die Fähigkeit zu mentalisieren entwickelt sich bereits in den ersten Lebensmonaten und ermöglicht dem Kind, Emotionen zu unterscheiden, zu verstehen und zu kontrollieren sowie die eigene Aufmerksamkeit zu steuern. Mentalisierung heißt, eine Vorstellung davon zu gewinnen, welche gedanklichen und gefühlten Gründe für das Verhalten eines Menschen vorliegen können. Die Fähigkeit umfasst sowohl bei sich selbst als auch in anderen Menschen, psychische Vorgänge zu vermuten wie Wünsche, Gedanken und Überzeugungen, die dem augenblicklichen Handeln und Verhalten zugrunde liegen, und sich selbst zu mentalisieren, also reflexiv zu erfassen, welche Erfahrungen in der Vergangenheit und Gegenwart zu den jetzigen Wünschen, Gedanken und Überzeugungen geführt haben.
In traumatischen Situationen werden die mit Erinnerung und Mentalisierung assoziierten Hirnareale durch autopoiesische Überlebensreflexe vorübergehend gehemmt – die Mentalisierung wird blockiert. Dauert die Hemmung der Hirnareale an, kommt es zur Gefährdung geistiger Funktionen und Beeinträchtigung neuer Beziehungen, wie zuvor ausführlich beschrieben.
Früh traumatisierte Kinder bekommen kaum Gelegenheit, eine Frustrationstoleranz zu entwickeln und reagieren bereits auf kleinste Reize, als ob es eine lebensgefährdende Bedrohung gäbe: Ein neuronaler „Express-Fahrstuhl“ ist jetzt strukturell gebahnt, der bei Bedrohung schnell einsatzbereit ist. Das Kind wird durch nicht zu erkennende Trigger an „inaktiven“ Hirnarealen vorbeigeführt und reagiert mit einer von außen betrachtet unangemessener Heftigkeit.
Lösung
Jedes noch so schräge Verhalten ist Ausdruck „inaktiver Hirnareale“, eine „unterbrochene Hinbewegung zur Mutter“. Wer jetzt in der Lage ist, mit Hilfe eines gewieften Gesprächspartner, die gehemmten Hirnareale der Mentalisierung behutsam mit neuen Vorstellungen zu konfrontieren, erlöst die „inaktiven Hirnareale“.
Welche gedanklichen und gefühlten Gründe für das Verhalten der anderen könnten vorgelegen haben? Warum hat es sich wie ein Verrat angefühlt? Wer sind meine Eltern wirklich, und vor allem wie sind sie wirklich? Mit welchen Gefühlen und Vorstellungen kann ich meine Eltern besser verstehen und damit ein Gefühl der Kontrolle gewinnen? Wie eigene ich mir kognitive Konfliktlösungsmuster an?
Meine systemische, polyvagale Beratung und Therapie kann als Einzel-, Paar- oder Familientherapie durchgeführt werden, ist als Telefon- oder Videosprechstunde besonders flexibel und kommt meist mit einzelnen oder ganz wenigen Sitzungen aus. Vielfach reichen bereits kleine Impulse, um festhängende Gedanken und Gefühle zu erlösen. Führen Sie ein kostenfreies Erstgespräch mit mir. Geben Sie mir gern in Ihrer Kontaktmail in kurzen Stichpunkten auf, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Ich melde mich bei Ihnen!