Der Gleichgewichtsgedanke impliziert meist die Vorstellung, es sei gut, ein einmal gewonnenes Gleichgewicht auch zu halten. Dieser Gedanke entspricht aber nicht dem Prinzip des Lebens. Das Leben ist ein fortdauernder Prozess des ständigen Ungleichgewichts. Immer im Gleichgewicht zu leben hieße, ein Leben in Fesseln zu leben und bald zu stolpern.
Ein Skifahrer, der den Abhang hinuntersaust, berücksichtigt ständig die Beschaffenheit des Geländes, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dabei befindet er sich aber paradoxerweise häufig in einem Zustand des Ungleichgewichts, der es ihm erst ermöglicht, seine Bahn zu halten: Er weicht aus, vollführt Manöver, die seinem Können entprechen, reagiert auf plötzliche auftauchende Hindernisse, nimmt kleine Umwege in Kauf usw.
An diesem Bild erkennen wir gut, dass erst ein Zustand von Ungleichgewicht den Weg ermöglicht. Mit beiden Füssen auf dem Boden stehend, kommt man nicht voran. Erst durch das Gehen kommen wir voran. Die Instabilität dabei – auf einem Fuss stehend und der andere Fuss in der Luft – führt im Ganzen paradoxer Weise zu einer dynamischen Stabilität, das Merkmal aller Lebensprozesse!
Die Dynamik des Lebens, die Veränderlichkeit von Moment zu Moment, ist die einzige Konstante, dem eine lebendige Stabilität innewohnt.