Persönlichkeitsprofile

Mit Hilfe von Persönlichkeitsprofilen können Sie zwei Dinge tun: die eigenen Verhaltensmuster und die der Mitmenschen besser verstehen und gezielt an den eigenen Verhaltensmustern arbeiten.

Der Mensch ist gar nicht so individuell, wie wir gerne glauben; er ist vor allem Teil einer Gemeinschaft. Doch was versteht man unter Persönlichkeit? Das Wörterbuch für Psychologie definiert diesen Begriff als «die vorherrschende Art und individuelle Ei­genart des Ablaufs der seelischen Vorgänge».

In meiner Arbeit als Präventologe habe ich gelernt, dass der Mensch ein einmaliges und unverwechselbares Individuum ist. Dennoch gibt es Grundmuster, die wir mit anderen gemeinsam haben. Wenn man sich die Vielfalt der menschlichen Persönlich­keit anschaut, lassen sich die Menschen bei aller Individualität in vier Grundtypen einordnen. Das leugnet nicht die Einzigartig­keit eines Menschen, hilft aber dabei, einen Menschen besser zu verstehen und ihm die richtige Art von Hilfe zu bieten.

Wahrscheinlich sind Ihnen die vier Typen bekannt: der Sanguiniker, der allen Schwierigkeiten hei­ter und gelassen begegnet; der Phlegmatiker, der schwerfällig reagiert, der Melancholiker, der grundsätzlich immer schwarz­sieht; und der Choleriker, der bei der kleinsten Schwierigkeit ex­plodiert. Diese Einteilung der Menschen in vier Temperamente hat sich bis heute gehalten, gerade weil sie es so einfach macht, die Haupteigenschaften eines Menschen zu erfassen. Und wenn Sie sich in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis umschauen, werden Sie wahrscheinlich sofort Peter als Choleriker und Hans als Melancholiker identifizieren. Dadurch gehen Sie mit ihnen auch anders um: Bei Peter werden Sie Ihre Worte überlegt wäh­len, um nicht gleich einen Wutausbruch zu provozieren, und bei Hans wissen Sie, dass seine Hiobsbotschaften in der Regel nur halb so schlimm sind.

Erfahrungsabhängige Persönlichkeitsentwicklung

Dass Entwicklung «einfach so» passiert, sehen wir als Eltern jeden Tag. Wir müssen unseren Babys weder das Sehen noch das Hören beibringen, und selbst das Sprechen erlernen sie alleine. Und auch wie man krabbelt, sitzt und läuft, kriegen sie ohne unsere Hilfe raus. Tatsächlich glaubt die Wissenschaft, dass vieles von dem, wie wir denken, fühlen und handeln, genetisch bedingt ist.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Würden wir es nicht un­seren Kindern in jedem Augenblick «unbewusst selbstverständ­lich» vormachen, wie man aufrecht läuft oder spricht, würden sie es eben nicht selbstverständlich lernen. Kinder müssen an­dere reden hören, um sprechen zu lernen, sie müssen «Raum zum Krabbeln» haben, um krabbeln zu lernen, und sie müssen erfahren, dass sie selbst durch eine bestimmte Handlung etwas erreichen können, um ein im Alltag wirksames Selbst zu ent­wickeln.

Hat die Mutter zum Beispiel Angst vor möglichen Gefühls­ausbrüchen ihres Neugeborenen, wird sie immer bemüht sein, jeden Konflikt zu vermeiden, den das Kind oder sie in der Kin­dererziehung erleben könnte. Und sie will nicht nur gut, son­dern perfekt sein – und füttert ihr Kind, bevor es ein Hunger­gefühl spürt. Es wird verwöhnt und ist dabei ziemlich unzu­frieden, denn es fehlen die kleinen Frustrationen, die erst die Entwicklung fördern – und ganz besonders das befriedigende Gefühl, sich behauptet zu haben. Wir brauchen am Anfang unseres Lebens die Erfahrung bzw. das Gefühl der «Selbst­wirksamkeit», dass wir selbst etwas bewirken können. Wenn wir diese Erfahrung nie machen, erwarten wir als Erwachsene, dass wir von unserem Partner verwöhnt werden, was früher oder später im Gefühl der Frustration und Unzufriedenheit enden muss. Übrigens: Ein konfliktvermeidendes Verhalten der Mutter führt beim Baby zu Störungen wie Schlaflosigkeit, Fütterungsschwierigkeiten und scheinbar grundlosem Weinen, später zu Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Nägelkauen, Sich-Kratzen und Stoffwechselstörungen durch übermäßiges Essen und Trinken.

Die vier Lebensperioden der Persönlichkeitsentwicklung

Im Laufe der Jahrmilliarden haben sich anorganische Verbin­dungen wie Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff zu organischen Verbindungen vereinigt und als Lebewesen behauptet. Ringen die Pflanzen um Wachstum, so ringt das menschliche Dasein um selbständige Bewegung in der Begeg­nung mit anderen. Es ringt um Halt im Unvertrauten, um inne­ren Rückhalt und Behauptung gegenüber dem sozialen Umfeld und um selbständige Begegnung mit anderen.

Im Zusammenspiel von sozialen Beziehungen und Bindun­gen und deren Bedeutungen für das Kind in seinen vier domi­nanten Lebensphasen entsteht das, was man gewöhnlich als Persönlichkeitstyp bezeichnet. Nach jahrelangen Arbeiten zu den Grundlagen von Persönlichkeitstypen bin ich zum Schluss gekommen, dass jeder von uns eine Dominanz aus vier Persön­lichkeiten aufweist, die in vier Perioden des Zusammenlebens geprägt wurden.

Erste Periode

Die erste Periode umfasst die ersten Monate unseres Daseins und ist davon geprägt, ob unsere Eltern unsere Bedürfnisse er­fühlen und erfüllen. Ist das der Fall, haben wir ein Freiticket für die nächste Periode der Persönlichkeitsentwicklung. Sollte das jedoch nicht der Fall sein – unsere Eltern stecken in Beziehungskonflikten, fühlen sich dabei belastet, erschöpft, über­fordert und haben keine Zeit, uns gebührend zur Kenntnis zu nehmen -, stürzen wir in eine Bindungsleere. Wir fallen auf uns zurück, beschäftigen uns mit uns selbst und tun uns ein Leben lang schwer, soziale Bindungen zu empfinden und aufzubauen. Ich habe beschlossen, Männer und Frauen, die Selbstbezogenheit und Selbstbewahrung leben und Angst haben, von ih­rem Partner durchdrungen zu werden, als Allein mit mir zu bezeichnen.

Zweite Periode

Haben wir die ersten Monate glücklich und erfüllt überstanden, beginnt die Periode der Wir-Symbiose. Wir erfahren unseren Wunsch nach selbständiger Bewegung und eigener Identität in Abhängigkeit von der Zustimmung oder Ablehnung unserer Eltern.

Die Liebe bzw. Aufmerksamkeit unserer Bezugspersonen muss womöglich durch Wohlverhalten erkauft werden; wenn wir die Bedingungen erfüllen, können wir unter Umständen Liebe und Geborgenheit bekommen. So erfahren wir uns nur als Echo der Mutter, werden zunehmend beziehungsorientiert und fürchten uns vor der eigenen Entfaltung.

Solche Kinder – die dann später Männer und Frauen sind – halten andere für wichtiger als sich selbst und finden sich nicht liebenswert. Deswegen gelingt ihnen auch keine Abgrenzung, die wichtig für den eigenen Standpunkt und das eigene Selbstbewusstsein ist. Ich habe diesen Persönlichkeitstyp Der Andere in mir genannt.

Dritte Periode

In der dritten Periode, identisch mit unserem dritten Lebens­jahr, taucht nach einer erfüllten Wir-Symbiose langsam das «Ich» auf, das sich als eigenständiges Wesen in der Familie in­tegrieren will. Doch wie sollen wir uns integrieren, wenn wir unbeherrschte, unberechenbare oder gefühlskalte Eltern haben? Wenn wir ohne ersichtlichen Grund bestraft oder gelobt wer­den, nur weil die Eltern auf diese Weise ihre eigenen Konflikte abreagieren.

Wir sehnen uns mehr und mehr nach Sicherheit, leben über­mäßig das Gewohnte und Vertraute und haben zunehmend Angst vor Neuem und Veränderungen. Viele dieser Menschen berichteten mir von Brüchen in ihrer Lebensgeschichte: Sie konnten das Studium oder die Ausbildung nicht zu Ende führen. Oft wurden sie kurz vor einer Prüfung von einer lähmenden Versagensangst überfallen oder kamen beim Lernen nicht voran, weil sie jedes Detail genau überprüfen und alle Widersprüche ausschalten mussten; eine Sisyphusar­beit, die schließlich zum tatsächlichen Scheitern führte. Diese Menschen nenne ich Im Bannkreis des Anderen.

Vierte Periode

Auf die dritte Periode des Menschwerdens folgt die vierte und letzte, die Periode der kritischen Realitätsprüfung. Es ist die Zeit der Annahme oder Ablehnung. Im Alter von vier bis sechs Jahren entscheiden wir uns, ob unsere Eltern beziehungsweise unser soziales Umfeld unser Bedürfnis nach Vorbild und Füh­rung erfüllen. Sind Eltern in dieser Lebensphase des Kindes widersprüchlich, unverständlich und haben wenig Gespür für die Nöte ihres Kindes, kommt es unweigerlich zu Ablehnung. Wir finden nicht mehr aus der Identifikation mit unseren cha­otischen Eltern heraus, bleiben in der Rebellion stecken, sind leicht reizbar und schwierig zu befriedigen. Wir werden wil­lensstark, verstehen es, uns durchzusetzen und sprühen nur so vor Ehrgeiz, in der Auseinandersetzung mit anderen unbedingt zu gewinnen. Eine perfekte Führungspersönlichkeit ist gebo­ren, die sich nicht entmutigen lässt und meistens ihre Ziele er­reicht. Dabei verlieren jedoch diese Menschen ihre Beziehung zu sich selbst, erkennen ihre eigene Not nicht. Daher habe ich diese Menschen Mein Leben im Anderen genannt.

Natürlich spielen auch andere soziale Umstände bei der Her­ausbildung unserer Persönlichkeit eine Rolle. Doch auch aus der Physik kennen wir nur vier Grundkräfte beziehungsweise Naturkonstanten, die extrem genau aufeinander abgestimmt sind und allen physikalischen Phänomenen der Natur zugrunde lie­gen. Sie sind dafür verantwortlich, dass sich bestimmte Teilchen untereinander anziehen, abstoßen oder auf eine andere Weise wechselwirken können. Würde man hier und da ein klein wenig an den Werten dieser Naturkräfte drehen, würden alle bekann­ten Vorgänge im Chaos zusammenbrechen.

Selbst unser Blut enthält einen biochemischen Code, der so einzigartig ist wie ein Fingerabdruck, und doch können wir sieben Milliarden Menschen in vier Blutgruppen einteilen. So wie die Blutgruppe der Schlüssel für die Geheimnisse unserer biochemischen Individualität ist, ist die Persönlichkeitsgruppe der Schlüssel für die Geheimnisse unserer Persönlichkeit. Sie enthüllt, wie wir anderen gegenüber denken, fühlen und uns verhalten.

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